Rezension: Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht. Das Schicksal der 1933 gewählten SPD-Reichstagsabgeordneten

»Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht. Das Schicksal der 1933 gewählten SPD-Reichstagsabgeordneten«

 

»Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht«: Kein Satz aus der Rede, mit der Otto Wels am 23. März 1933 das Nein der Sozialdemokraten im Reichstag zu dem sogenannten Ermächtigungsgesetz begründete, hat sich der Nachwelt so eingeprägt wie dieser. Dass nicht ein einziger Abgeordneter aus den Reihen der katholischen und der liberalen Parteien mit der SPD gegen das Ermächtigungsgesetz stimmte, und somit die erforderliche Zweidrittelmehrheit erreicht wurde, machte den 23. März 1933 zum dunkelsten Tag der deutschen Demokratiegeschichte. Das Nein der 94 Reichstagsabgeordneten der SPD, die noch an der Sitzung des Reichstages teilnehmen konnten, machte den Tag aber auch zu einem der unbeugsamen Überzeugungstreue und der demokratischen Standfestigkeit.

Diesen Abgeordneten und ihren 26 Fraktionskollegen, die bereits aufgrund des Verfolgungsdrucks durch die Nationalsozialisten nicht mehr zur Abstimmung erscheinen konnten, hat der Historiker Klaus Schönhoven ein Denkmal gesetzt, mit seinem unlängst erschienenen Buch »Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht. Das Schicksal der 1933 gewählten SPD-Reichstagsabgeordneten«. Darin zeichnet er die Leidenswege dieser Abgeordneten nach, deren Namen bis auf den von Otto Wels den wenigsten bekannt sein dürften. Ihre Lebensläufe in der NS-Diktatur waren geprägt von Verhaftung und Ausgrenzung, Flucht und Emigration, vom Eigensinn der Verfolgten im Unrechtsstaat und von Entmenschlichung und Ermordung in den Gefängnissen und Konzentrationslagern.

Schönhovens Studie richtet sich sowohl an das Fachpublikum, wie auch an historisch Interessierte. Für letztere ist das Buch insbesondere an den Stellen lesenswert, an denen er sich den persönlichen Schicksalen direkt zuwendet. Die Viten der Verfolgung verdeutlichen dem Leser, dass sich das NS-Regime zu keiner Zeit, wie es der Historiker Götz Aly postuliert, in eine »Gefälligkeitsdiktatur« und einen »Volksstaat« verwandelt hat. (Aly 2005) »Für die Repräsentanten der kommunistischen und der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung« blieb nach Schönhoven die NS-Diktatur »bis zu ihrem Ende eine Schreckensherrschaft«. (Schönhoven 151)

Exemplarisch sei hierfür die Terrorisierung Fritz Soldmanns durch die Nationalsozialisten beschrieben, welches Schönhoven im Kapitel »Weiterhin im Visier der Verfolger: Die Verhaftungswellen während des 2. Weltkriegs« anführt. Fritz Soldmann war vom NS-Regime seit 1933 immer wieder inhaftiert und jahrelangen Schikanen ausgesetz worden. Bis zum Februar 1941 hatte er wiederholte Hausdurchsuchungen, Haftzeiten in Gefängnissen und im KZ Sachsenhausen zu überstehen. Im August 1944 wurde er erneut von der Gestapo verhaftet und nach Gefängnisaufenthalten ins KZ Buchenwald verbracht. Der 67-jährige war nach der Befreiung durch die Amerikaner am 13. April 1945 gesundheitlich so angeschlagen, dass er bereits am 31. Mai 1945 an den Folgen der vielen Verhaftungen und gesundheitlichen Belastungen, die er seit 1933 erdulden mußte verstarb. (Schönhoven 170f.)

»Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht. Das Schicksal der 1933 gewählten SPD-Reichstagsabgeordneten« von Klaus Schönhoven ist im Verlag J.H.W. Dietz erschienen (248 Seiten).

Literatur

Aly, Götz (2005): Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus. 4. Auflage. Berlin.