Das Komma-Geheimnis von Sanssouci

Inschrift Sanssouci

Sanssouci (© Clio Berlin, Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Auf dem Gebälk der Gartenseite des Schlosses Sanssouci, dort wo sich der Marmorsaal befindet, steht in im Dezember 1746 von Benjamin Giese gegossenen vergoldeten Bronzelettern, der Name von Schloss und Park Sanssouci. Kommentierende Beschriftung von Gartenstaffagen kamen etwa zeitgleich zum Bau der Anlage in den sentimentalen Gärten Englands auf, vermutlich von der poetischen Gartenkunst Chinas inspiriert. (Butlar/Köhler 39) An Schlössern waren solche Inschriften allerdings unüblich. Umso erstaunlicher, dass Friedrich sein Gartenschloss mit dem schon in Rheinsberg, seiner Kronprinzen-Residenz, verwendeten Motto versah: »Sans, Souci.«. Erstaunlich und Rätselhaft ist auch die von Friedrich verwendete Schreibweise. Er ließ hinter »Sans« ein Komma und hinter »Soucci« einen Punkt setzen, was bis heute immer wieder wilde Spekulationen in Gang setzt. Im Weiteren sollen vier der bekanntesten Interpretationen dieses Komma-Geheimnisses von Sanssouci vorgestellt werden.


›Comme à‹-Variante

Eine Auslegung geht dahin, das Komma entspreche dem französischen »comme à«, so dass der Sinn dann soviel bedeute wie: »Ohne - wie auch mit - Sorge«. »Ohne« - das war der Flügel, wo die Freunde und auserkorenen Gäste wohnten. Auf der rechten Seite, wo die »Sorge« angebracht war, befanden sich die Gemächer des Königs. Friedrich deute hier also an, dass er aufgrund seiner Pflichten als König auch an dem arkadischen Ort seiner Sommerresidenz, nie ganz ohne Sorgen sein könne. (Cyran 46)


›Virgula‹-Variante

Nach einer anderen Lesart leite sich das Komma im französischen (›virgule‹) vom lateinischen ›virgula‹ für ›Rütchen‹ oder ›Stäbchen‹ ab und stehe für alles, was die Mannsform hat. Die Rätselinschrift laufe sinngemäß auf die Aussage »Ohne Sex/Rütchen lebt man ohne Sorgen« hinaus. Demnach spiele Friedrich auf eine Operation an, die ihn kurz nach seiner Zwangsverheiratung mit Elisabeth Christin von Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern angeblich im Winter 1733/34 impotent gemacht haben soll. Dies erkläre auch seine offenkundige Antipathie gegen ein Liebesleben mit Frauen. (Kittsteiner 100)

So gedeutet, kann die die Inschrift darauf verweisen, dass die zunächst erzwungene, dann aber gewollte Lebensweise Friedrichs unter Männern und ohne Frauen, seiner Meinung nach eine Grundlage für die Verwerklichung eines arkadischen Lebens bildete, das Friedrich in Sanssouci zu verwirklichen suchte. Auch das Leben der Hirten im griechischen Arkadien der Antike, welches die Vorlage für den Arkadien-Topos bildet, war eines unter Männern. Bekannt ist, dass seine Frau Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern Sanssouci niemals betreten hat und das auch die sämtlich männlichen Mietgieder der berühmten Tafelrunde keine Frauen mit nach Sanssouci bringen durften.


Die Tafelrunde von Sanssouci

Die Tafelrunde von Sanssouci, Adolph Menzel, 1850

›Cavinismus‹-Variante (Kittsteiner)

Eine weitere Erklärung fußt auf dem Ansatz, dass Friedrich sich mit der Inschrift der Geheimschrift des Grafen von Vergennes (1717-1787) bediene. Der Außenminister Ludwigs XVI., der vorübergehend auch mit Friedrich dem Großen korrespondierte, benutzte in Empfehlungsbilletts Satzzeichen als verschlüsselte Botschaften für die Weltanschauung der infrage stehenden Person. (Kittsteiner 110)

In der Lesart stünde das Komma für den Calvinismus beziehungsweise für die Prädestinationslehre, die der Kronprinz Friedrich unter dem Einfluß seines Jugendfreundes Katte zunächst anhing. (Kittsteiner 120) Friedrich betrachtete zu dieser Zeit sein eigenes Schicksal und der Lauf der Dinge als gänzlich vorherbestimmt - eine Haltung, die ihm sein strenger, dem Pietismus anhängender Vater mit allen Mittel auch aus Gründen der Staatsräson austreiben wollte und die zu heftigsten Konflikten zwischen Vater und Sohn führte. Katte wurde am Ende nach einem gescheiterten Fluchtversuch Friedrichs vor dessen Augen hingerichtet. (Kunisch 40-43)

Der Punkt hingegen stünde für den Deismus, jene aus England importierte »natürliche Religion«, die Gott als großen Weltbaumeister einer harmonischen Weltordnung verehrte, in die sich der Einzelne in ethischer Selbstdisziplin einfügen soll. Dem Deismus wendete sich Friedrich nach Kattes Tod zu, gleichzeitig mit einer zumindest äußerlichen Versöhnung mit dem Vater. (Butlar/Köhler 40-42)

Vor diesem Hintergrund ergäbe sich aus der sonderbaren Zeichensetzung »Sans, Souci.« die Aussage: »Ohne Calvinismus (ist man ohne) Sorgen (als) Deist«. (Kittsteiner 120)


›Cavinismus‹-Variante (Frauendorf)

Einer weitere Variante rekurriert ebenfalls auf die Geheimschrift von Graf Vergennes allerdings wird hier der Punkt, der bei genauem hinsehen, die Form eines Dreiecks hat, nicht als Punkt sondern als Freimauersymbol gedeutet. Tatsächlich war Friedrich seit 1738 Freimaurer. Demnach hiesse der Schriftzug übersetzt: »Ohne Calvinismus (hat) Sorgen (der) Freimaurer«. Ohne die Vorherrbestimmung Gottes hat Sorgen der, der frei entscheiden kann. (Frauendorf 80)

Literatur

Cyran, Eberhard (1958): Sanssouci - Traum aus dem Sand, Berlin.

Frauendorf, Clara (2012): Das Komma-Geheimnis um Sans, souci, Taucha.

Kittsteiner, Heinz Dieter (2001): Das Komma von SANS, SOUCI. Ein Forschungsbericht mit Fußnoten, Heidelberg.

Köhler, Marcus / Buttlar von, Adrian (2012): Tod, Glück und Ruhm in Sanssouci. Ein Führer durch die Gartenwelt Friedrichs des Großen, Hamburg.

Kunisch, Johannes (2004): Friedrich der Große. Der König und seine Zeit, München.