Die Gruft Friedrich II. und das Arkadien-Motiv

Grab Friedrich II. in Sanssouci

Grabplatte Friedrich II. (© Clio Berlin, Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Das erste was Friedrich II. im späteren Park Sanssouci ab August 1744 durch den Oberbaudirektor Friedrich Wilhelm Dietrichs errichten ließ, war ein massiver Gruftbau für seine sterblichen Überreste am Ostende der obersten Terrasse von Sanssouci. (Manger 504) Die ständige Konfrontation mit dem Tod inmitten des blühenden Lebens durch die Anlage der Gruft direkt am Königsflügel des Schlosses bildet gewissermaßen den Grundstein für das Verständnis der Geistes- und Ideenwelt von Sanssouci.

Zentrales geistiges Motiv von Sanssouci ist die Sehnsucht nach den glücklichen Gefilden Arkadiens. Arkadien, ein von Hirten besiedeltes karges Bergland auf dem Peloponnes in Griechenland, wurde bereits in der Antike insbesondere durch den Dichter Vergil zum Topos für ein Land der Seligkeit und des Glücks idealisiert. (Reinhard 120) Das Leben der in der Natur umherstreifenden Hirten, die sich am abendlichen Lagerfeuer tiefsinnigen Gesprächen unter Männern hingaben, galt als Sinnbild für das Leben auf dem Land fern der Sorgen des Alltags, wie es unter römischen Patriziern in der Zeit der Villeggiatur in Mode kam. Diese Villen auf dem Land (villa suburbana) waren der Ort des otium (der Muße). Hier suchten ihre Besitzer neben körperlicher und geistiger Erholung auch die intellektuelle Beschäftigung mit griechischer Literatur, Philosophie und Kunst. (Habenstein 134)

Einer solchen arkadischen Lebensweise, die auch Friedrich in Sannsouci zu verwirklichen suchte, lag stets die geistige Überwindung des Todes zugrunde, dem als selbstverständlicher Teil des kreatürlichen Lebens aller Schrecken genommen werden sollte. (Butlar/Köhler 43)


Charles Sylva Dubois, Supraporte des Konzertzimmers in Schloss Sanssouci

Charles Sylva Dubois, Supraporte des Konzertzimmers in Schloss Sanssouci, 1747 (© Clio Berlin, Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Diese Haltung versinnbildlicht die Supraporte von Charles Sylva Dubois im Konzertsaal von Sanssouci. Vor dem Hintergrund des Schlosses befindet sich ein Freigrab in Form eines Sarkophages umgeben von einer friedlichen Szenerie mit Schafen und Ziegen, also eine Verbindung von Vanitas- und Arkadienmotiv. Dubois folgt hier dem berühmten Bild Nicolas Poussins »Et in Arcadia ego« von 1637/38, dem wiederum Vergils 4. Ekloge zugrunde lag. (Butlar/Köhler 43)


Charles Sylva Dubois, Supraporte des Konzertzimmers in Schloss Sanssouci

Nicolas Poussin, Et in Arcadia ego, 1637/38

Erzählt wird dort die Geschichte eines Hirten, der mit seinem Gefolge in der lieblichen Landschaft Arkadiens auf einen Sarkophag stieß, dessen Aufschrift »Et in Arcadia ego« (»Auch ich gehöre nach Arkadien«, gemeint ist der Tod) die heitere Gesellschaft zu einem nachdenklichen Gespräch über die Vergänglichkeit aller Dinge anregt. (Reinhard 125) Es ist also die Akzeptanz des Todes, die dem Weisen erst den rechten Genuss und das wahre Glück es Lebens eröffnet. (Butlar/Köhler 43)

Das Grab im Garten, das wenige Jahre später in den neuen Landschaftsgärten regelrecht in Mode kam, verkörperte als Bestattung in ungeweihter Erde aber auch ein aufklärerisch-naturreligiöses Bekenntnis, wie es vor allem von den Freimaurern geteilt wurde. Die Position des Grabes am Ostende der Terrasse verweist auf den »Ewigen Osten«, in den der verstorbene Freimaurer eingeht. Der Osten als Ursprung des Lichtes ist der Sitz des Meisters. Diesen höchsten Grad hatte Friedrich entgegen aller Regeln schon seit seiner Aufnahme in die Loge 1738 inne. (Butlar/Köhler 43)


Grabanlage Friedrich II. in Sanssouci

Grabanlage Friedrich II in Sansouci (© Clio Berlin, Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Friedrichs Ablehnung von christlichen Jenseitsvorstellungen verdeutlichen auch die Büsten römisch-heidnischer Kaiser, die in Form einer Exedra sein Grab einrahmen. Das Ewige Leben scheint Friedrich nicht im Himmel, sondern im historischen Nachruhm zu verorten, so wie diese sechs ersten römischen Kaiser der julisch-claudischen Dynastie in die Ewigkeit eingegangen sind: Cäsar, Augustus, Tiberius, Claudius, Caligula und Nero.

In seinem zweiten Testament von 1769 bekundet Friedrich seinen für einen preussischen König geradezu skandalösen Begräbniswunsch: »Gern und ohne Klage gebe ich meinen Lebensodem der wohltätigen Natur zurück, die ihn mir gütig verliehen hat, und meinen Leib den Elementen, aus denen er besteht. Ich habe als Philosoph gelebt und will als solcher begraben werden, ohne Gepränge, ohne feierlichen Pomp. Ich will weder geöffnet noch einbalsamiert werden. Man bestatte mich in Sanssouci auf der Höhe der Terrassen in einer Gruft, die ich mir habe herrichten lassen.« (Butlar/Köhler 45)

Der testamentarische Wille Friedrichs wurde jedoch erst an seinem 205. Todestag, dem 17. August 1991 erfüllt. Sein Neffe und Nachfolger Friedrich Wilhelm II. ignorierte Friedrichs Wünsche und betete diesen in der Gruft der Garnisonskirche in Potsdam. Nach einer Odyssee seiner sterblichen Überreste ausgelöst durch Krieg und Teilung wurden diese 1951 auf die Hohenzollern-Stammburg nach Hechingen (Schwaben) gebracht, um 1991 unter großer öffentlicher Anteilnahme schließlich nach Potsdam zurückzukehren und dort endlich den von Friedrich gewünschten Bestimmungsort, neben seinen bereits von ihm dort beigesetzten Windhunden zu finden.

Literatur

Brandt, Reinhard (2006): Arkadien in Kunst, Philosophie und Dichtung, München.

Habenstein, Astrid (2015): Abwesenheit von Rom. Aristokratische Interaktion in der späten römischen Republik und in der frühen Kaiserzeit, Heidelberg.

Köhler, Marcus / Buttlar von, Adrian (2012): Tod, Glück und Ruhm in Sanssouci. Ein Führer durch die Gartenwelt Friedrichs des Großen, Hamburg.

Manger, Heinrich Ludwig (1789): Baugeschichte von Potsdam, Bd. 2, Berlin.