Der Freundschaftstempel - Andenken und Widmung an die einzige Friedrich wirklich nahestehende Person

Der Freundschaftstempel in Sanssouci

Freundschaftstempel, Karl von Gontard, 1768-70 (© Bundesarchiv , Bild 170-623 / Baur, Max / CC-BY-SA-3.0 , via Wikimedia Commons)

Der Freundschaftstempel befindet sich im so genannten Rehgarten des Park von Sanssouci. Der Name dieses Teil der Anlage geht auf die Nutzung als Wild- und Jagdrevier durch den Vater Friedrich des Großen Friedrich Wilhelm I. zurück. Friedrich wandelte diesen Bereich nach und nach in eine Parklandschaft um. (Hüneke 217) Wenn man vom Schloß Sanssouci die Hauptachse Richtung des Neuen Palais einschlägt, dann hinter dem Raptusrondell nach links in die seitlichen, dunklen und geschlängelten Stichwege einbiegt, dann trifft man nach einiger Zeit auf den von Karl von Gontard 1768-70 nach Vorlagen des Königs errichteten Monopteros (Rundtempel). (Drescher/Badstübner-Gröger 162-168)


Der Freundschaftstempel in Sanssouci

Freundschaftstempel, Karl von Gontard, 1768-70 (© Bundesarchiv , Bild 170-623 / Baur, Max / CC-BY-SA-3.0 , via Wikimedia Commons)

Der offene Monopteros ist auf einem Podest mit flachem Kuppeldach und Laterne nach dem Vorbild von Knobelsdorffs Apollotempel im Neuruppiner Tempelgarten errichtet worden. Der Tempel beruht auf einer korinthischen Ordnung mit acht gekuppelten Säulen, dem vom Knobelsdorff entwickelten »Königsmotiv« Friedrichs. (Butlar/Köhler 36) Der Eingang ist durch eine Treppe und einen Giebel markiert und führt zur gegenüberliegenden Nischenarchitektur mit einem Marmorsitzbild der Schwester des Königs, Markgräfin Wilhelmine v. Bayreuth († 1758), das 1772–73 von den Gebrüdern Räntz (Kopie 1998) errichtet wurde. (Dehio 881)


Der Freundschaftstempel in Sanssouci

Marmorsitzbild der Wilhelmine, Johann David und Johann Lorenz Wilhelm Räntz, 1772–73 (© Bundesarchiv , Bild 170-626 / Baur, Max / CC-BY-SA-3.0 , via Wikimedia Commons)

Der Freundschaftstempel ist ein frühes deutsches Beispiel antikisierend-empfindsamer Gartenstaffagen und war ursprünglich in dichten Bosketts versteckt. (Dehio 881) Es war ein sehr persönlicher Ort Friedrichs, zu Wilhelmines Würdigung und Gedenken geschaffen. »Ich begebe mich häufig dorthin, um mich an ein einst genossenes Glück zu erinnern«, hielt Friedrich fest. (Luh 340)

Die Bestimmung als Erinnerungstempel für die Schwester gibt auch die Ikonographie wieder, die zugleich dem Tempel seinen Namen gab. An den gepaarten korinthischen Säulen sind acht Reliefmedaillons paarweise aufgehängt. Diese zeigen Idealporträts berühmter Freundespaare aus dem Trojanischen Krieg. Peirithous und Theseus, Herakles und Philoktet, Euryalos und Nisos, Pylades und Orest. (Hüneke 261) In einem Werk Voltaires findet sich die wesentliche Anregung für den Bau: »In alter Sprache sieht man auf die Fassade, die heiligen Namen von Orest und Pylades, das Medaillon des guten Peirithous, vom braven Achates und des zarten Nisus«. (Butlar/Köhler 125)


Der Freundschaftstempel in Sanssouci

Reliefmedaillon mit der Abbildung des Philoktet (© Bundesarchiv , Bild 170-625 / Baur, Max / CC-BY-SA-3.0 , via Wikimedia Commons)

Die Gegenüberstellung tugendhafter männlicher Freundschaften mit Wilhelmine drückte die höchste Wertschätzung aus, die Friedrich je einer Frau gegenüber zeigte. Als die Landgräfin Karoline Luise von Hessen-Darmstadt starb, stiftete der König der verehrten Freundin eine Urne im Darmstädter Herrengarten, auf der als höchster Lobpreis zu lesen war: »Femina sexu - ingenio vir« (»dem Geschlecht nach eine Frau, an Geist ein Mann«). Mit Wilhelmine verband Friedrich aber auch die innigste aller seiner Beziehungen: »Seit ich erklomm des Lebens Stufen, War treue Liebe uns ein einend Band. … Der eine hielt dem anderen nichts verborgen, Als schlügen unsere Herzen ungetrennt«, schrieb Friedrich nach dem Tode Wilhelmines an Lord Marshall Keith. (Butlar/Köhler 125)

Der Errichtung des Tempels mag auch das schlechte Gewissen Friedrichs zugrunde gelegen haben. Als seine Schwester 1758 mehr und mehr von Krankheit gezeichnet war, mangelte es Friedrich an Empathievermögen, in der regen Korrespondenz zwischen ihnen darauf angemessen einzugehen. Stattdessen berichtete er ihr ausführlich von seinen Sorgen und Nöten, die ihm im Felde während des Siebenjährigen Krieges zu schaffen machten. Seine Entschuldigung kam zu spät. Bis er Begriff, dass die Schwester von ihm mehr hören wollte, als nur Konventionell-Oberflächliches und Egoistisches, Persönliches nämlich, Anteilnehmendes, Brüderliches, war es zu spät. In seinem letzten Brief vom 12. Oktober 1758 schrieb er endlich, was sie erhofft hatte: »Ich bin so voll von Dir, von Deinen Gefahren und von meiner Dankbarkeit, dass Dein Bild stets in meinem Geiste herrscht und alle meine Gedanken auf sich lenkt … Möge der Himmel mein tägliches Flehen um Deine Genesung erhören.« Mein Leibarzt »ist unterwegs. Ich werde ihn vergöttern, wenn er das Dasein rettet, das mir das liebste auf Erden ist, das ich schätze und verehre, und dem ich angehören werde, bis ich mein Leib den Elementen zurückgebe«. Dieser letzte Brief hat Wilhelmine nicht mehr erreicht. Mit dieser Last mußte Friedrich Leben. Er hat daran schwer getragen. (Luh 340)

Literatur

Dehio, Georg (2012): Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Brandenburg, Berlin.

Drescher, Horst / Sibylle Badstübner-Gröger (1991): Das Neue Palais in Potsdam. Beiträge zum Spätstil der friderizianischen Architektur und Bauplastik. Berlin.

Hüneke, Saskia (2002): Bauten und Bildwerke im Park Sanssouci, Potsdam.

Köhler, Marcus / Buttlar von, Adrian (2012): Tod, Glück und Ruhm in Sanssouci. Ein Führer durch die Gartenwelt Friedrichs des Großen, Hamburg.

Luh, Jürgen (2012): Freundschaften? - Verhältnisse. Friedrich und seine Vertrauten, in: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (Hg.), Friederisiko - Friedrich der Große. Die Ausstellung, München, S. 330-340.