Ende des Zweiten Weltkriegs in Berlin - Der Befehl zur Verteidigung der Reichshauptstadt

9. März 1945, Reichspropagandaminister Goebbels begrüßt in Lauban (Niederschlesien) den 16jährigen Willi Hübner

9. März 1945, Reichspropagandaminister Goebbels begrüßt in Lauban (Niederschlesien) den 16jährigen Willi Hübner (© Bundesarchiv, Bild 183-J31305 / CC-BY-SA 3.0)

Datiert vom 9. März 1945 zeigt der »Grundsätzliche Befehl für die Vorbereitungen zur Verteidigung der Reichshauptstadt« in der Sprache des Militärs exemplarisch, was der Bevölkerung Berlins in der Endphase des Zweiten Weltkriegs zugedacht war. Er wurde von dem ersten Befehlshaber des »Verteidigungsbereiches Berlin«, Generalleutnant H. Reymann, im Einvernehmen mit dem Führerhauptquartier erlassen. (Kuby 87) Hitler und dem Reichsverteidigungskommissar und Gauleiter von Berlin Joseph Goebbels war das Weiterleben der Berliner Bevölkerung weniger wichtig, als die Weigerung zu kapitulieren. Diese »Politik der verbrannten Erde«, nach der die Nationalsozialisten bei einer Kriegsniederlage und dem damit verbundenen eigenen persönlichen Ende eine »Zivilisationswüste« hinterlassen wollten, fand auch Eingang in den nur 10 Tage später erlassenen sogenannten »Nero-Befehl« unter dem Titel »Zerstörungsmassnahmen [sic] im Reichsgebiet«. (Kershaw 1013) So kann der Befehl vom 9. März gewissermaßen als Vorläufer des »Nero-Befehls« angesehen werden.

Im Punkt zwei des 35 Seiten langen und 24 Punkte umfassenden Befehls findet sich der entscheidende Satz:

»Die Reichshauptstadt wird bis zum letzten Mann und bis zur letzten Patrone verteidigt«.
Weiter heisst es:
»Voraussetzung für eine erfolgreiche Verteidigung Berlins ist jedoch, dass
jeder Häuserblock,
jedes Haus,
jedes Stockwerk,
jede Hecke,
jeder Granattrichter
bis zum Äußersten verteidigt wird!
Es kommt […] darauf an […],dass
jeder Kämpfer
vom fanatischen Willen
zum KÄMPFEN-WOLLEN
beseelt und durchdrungen ist, dass er weiß, dass die Welt mit angehaltenem Atem diesem Kampf zusieht und dass der Kampf um Berlin die Kriegsentscheidung bringen kann.« [Satzordnung und Hervorhebungen entsprechend dem Original] (Kuby 89)

Wehrmachts-General Helmuth Weidling hat zu den Verteidigungsplänen festgestellt, dass es »eine Tollheit ist, eine solche große Stadt wie Berlin zu verteidigen […] Berlin kann nur an der Oder verteidigt werden! Wenn dies nicht gelingt, muss Berlin zur offenen Stadt erklärt werden!« Diese vernünftige Aussage hinderte Weidling allerdings nicht daran, sich am 22. April 1945 selbst von Hitler zum letzten Kampfkommandanten von Berlin ernennen zu lassen. (Kuby 64)

Jeden Montag veranstaltete Goebbels in seiner Stadtvilla neben dem Brandenburger Tor eine Kriegsratssitzung. In diesem Gremium wurden Fragen der Verteidigung wie der zivilen Versorgung besprochen. Einmal fragte der Befehlshaber des »Verteidigungsbereiches Berlin« Reymann Goebbels was eigentlich mit mehr als drei Millionen Zivilisten geschehen solle. Goebbels: An eine Evakuierung sei nicht zu denken. Darauf Reymann: Dann solle man wenigstens die 120 000 Kinder unter zehn Jahren aus Berlin abtransportieren. Auch das sei nicht möglich, beharrte Goebbels. Aber wie - fuhr Reymann fort - stünde es mit der Milchversorgung für Kleinstkinder, wenn die Stadt von ihrer Umgebung abgeschlossen würde? Goebbels: Es sei Büchsenmilch für drei Monate vorhanden. Sie war nicht vorhanden. (Beevor 198-199)

Dass die »Schlacht um Berlin« nicht zum geplanten apokalyptischen monatelangen Ringen ausartete lag u.a. daran, dass die Reste der im wahrsten Sinne des Wortes ausgebluteten Wehrmacht, die versprengten SS-Verbände, der Volkssturm und die Bataillone der Hitlerjugend der technisch und personell haushoch überlegenen Rote Armee nur noch wenig entgegenzusetzen hatten. Die vollmundigen Ankündigung des Befehls vom 9. März, dass »der Kampf um Berlin die Kriegsentscheidung« bringen werde, wurde so anders und wesentlicher schneller erfüllt, als es von den Nationalsozialisten erhofft worden war. Am 21. April überschritten die ersten sowjetischen Einheiten die nordöstliche Stadtgrenze Berlins, am 30. April beging Hitler Selbstmord, am 1. Mai tötete Goebbels sich und seine Familie und in den Morgenstunden des 2. Mai kapitulierte General Weidling für die Reichshauptstadt.

Literatur

Beevor, Antony (2002): Berlin 1945. Das Ende, München.

Kershaw, Ian (2000): Hitler 1936-1945, Stuttgart 2000.

Kuby, Erich (1965): Die Russen in Berlin 1945, in: Der Spiegel, Nr. 19.